Und was ist eigentlich mit Thomas Müller? (2024)

Mittlerweile 130 Länderspiele hat Thomas Müller absolviert. Der Bayern-Star spielt bislang auf dem Platz noch keine große Rolle bei der Heim-Europameisterschaft für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Dass er seinen besonderen Moment bekommt, hängt auch von seinen Kollegen ab.

Thomas Müller lacht, hat den Ball unter den Arm geklemmt, als er am Mittwochmorgen auf den Trainingsplatz des DFB-Teams in Herzogenaurach kommt. Erste Erkenntnis: Puh, er ist noch dabei. Dann, nach dem Einlaufen, folgt die zweite Erkenntnis: Fußballspielen kann er auch noch, das lässt sich schnell erkennen. Er lässt Bälle klatschen, macht bei der Aufwärmübung ganz normal mit. Müller spielt Pässe, trottet zu den Trainingsdummys. Große Erleichterung.

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Die Frage, die sich am Sonntagabend viele im Frankfurter Stadion und vor den TV-Geräten stellten, wo war Thomas Müller eigentlich da? Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft lag mit 0:1 im letzten Gruppenspiel bei der Heim-EM gegen die Schweiz hinten, die Sekunden verrannen. Da hätte es doch jemanden mit der Erfahrung des 34-jährigen Bayers gebraucht, oder? Doch Bundestrainer Julian Nagelsmann wechselte ihn nicht ein.

Stattdessen, vorsichtig gesagt, irritierte Nagelsmann mit seinen Wechseln. Er brachte erst den jungen und schnellen Maximilian Beier, der auch schon der junge Thomas Müller genannt wurde, dann Leroy Sané und Niclas Füllkrug. Für Müller war kein Wechselfenster mehr frei, schließlich musste Nagelsmann zuvor noch zwei Verteidiger auswechseln - den unglücklichen Maximilian Mittelstädt und den verwarnten Jonathan Tah.

Der "Connector" zwischen den "Zauberern"

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Doch auch da war Thomas Müller vor Ort, im Stadion, aber eben nicht auf dem Rasen. Es gibt Beweise: Linksverteidiger David Raum, der später seinen Turniermoment hatte, mit der Flanke auf Füllkrugs Kopf, postete am nächsten Tag ein Video auf seinen sozialen Kanälen. Mittlerweile hat es 2,6 Millionen Aufrufe. Dort versuchte Müller vor dem Spiel den Videowürfel am Dach der Frankfurter Arena mit einem Ball zu treffen. "So einen, wie den, wird es nie wieder geben", schrieb Raum darunter. Müller schaffte es übrigens nicht.

Im Kader des DFB-Teams gibt es klar definierte Rollen. Es werkeln die "Zauberer" (Florian Wirtz, Jamal Musiala) an der Seite der "Worker" (Robert Andrich). In dem Drehbuch des Bundestrainers hat auch Thomas Müller seinen Platz. Der Bayern-Star ist der "Connector", wie Nagelsmann es im Trainingslager im thüringischen Blankenhain beschrieb. Jemand, der mit allen kann: mit den "Rappern" und aber auch den "Jodlern" im Team. Also jemand, der eher für die Stimmung als für den taktischen Erfolg dabei ist, ohne diese Rolle wäre Müller vermutlich auch nicht im EM-Kader.

Für viele aus der Generation, die 2014 den WM-Pokal in Rio holten, wird die Heim-Europameisterschaft das letzte Turnier. Der 38-jährige Manuel Neuer ließ vergangene Woche noch offen, ob bei der EM seine DFB-Karriere gipfelt. Bei Toni Kroos ist die Lage klar: Ab jetzt kann jedes K.-o.-Spiel auch sein letztes als aktiver Fußballer sein. Und Müller? Schon nach der Katar-WM deutete sich irgendwie das Ende seiner DFB-Karriere an. Nach dem Vorrunden-Aus gab er ein Interview, das sich mächtig nach Abschied anfühlte. Es ist schwer vorstellbar, dass er noch zur Weltmeisterschaft 2026 in die USA, Kanada und Mexiko mitfährt.

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Deshalb bleiben ihm auch nicht mehr viele Momente auf dem Platz. Im Moment glänzt er vor allem daneben, weil viele seiner Qualitäten eben auch dort liegen: als eine Art Botschafter, als Stimmungsbarometer, wie er es beim FC Bayern schon gemacht hat. Dort hatte er seine Rolle in der Thomas-Tuchel-Saison gelernt: Den Trainer verteidigen, mal nach einer 0:3-Klatsche gegen Leverkusen im Interview auf den Tisch hauen.

Als nach dem rauschenden 5:1-Auftakt gegen die Schotten schon alle im siebten Himmel waren, da stand er in den Katakomben des Münchner Stadions, locker an das Pult gelehnt und warnte die Allgemeinheit vor "Emotionsgedusel". Gutes Gefühl allein gewinne eben keine Spiele. Zu oft hatte er das erlebt, das zweite Spiel ging nach einem starken Auftakt meist schief: 2010 in Südafrika war das so, 2014 in Brasilien auch, 2016 in Frankreich ebenso. Diesmal gegen die Ungarn nicht.

Das war nun nicht unbedingt Müllers Verdienst, schließlich stand er nicht auf dem Feld. Auch gegen die Schweiz hätte seine Einwechslung in den Gedankenspielen des Bundestrainers keinen Sinn ergeben. Nagelsmann wollte mehr Tempo, er dachte, die Eidgenossen würden sich nicht im eigenen Sechszehner einmauern. Deshalb wechselte er mit dem jungen Beier den schnellsten DFB-Spieler im Kader ein. Nur ging der Plan nicht so richtig auf, das Spiel wurde eher chaotischer.

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In der K.-o.-Runde wird sein Moment kommen, abschreiben sollte man den Fußballer Müller nicht. "Thomas ist ein absolutes Vorbild", sagte DFB-Sportdirektor Rudi Völler über ihn unter der Woche, "so wie er sich verhält, wie er der Mannschaft, den jungen Spielern hilft." Auch wenn seine 34 Lebensjahre nicht an seinem Körper vorbeigingen, lebte er in seiner langen Karriere nie von seiner Physis oder dem Tempo. Er war immer sein ganz eigener Spielertyp. Als Raumdeuter tauchte er dort auf, wo die gegnerische Abwehr nicht mit ihm rechnet. Schlitzohrig machte er Treffer mit dem Schienbein. Unkonventionell schlängelte er sich auf engstem Raum im Strafraum seinen Bewachern davon. Wenn es hart auf hart kommt, könnte das entscheidend sein. Schließlich hat er wie Toni Kroos und Manuel Neuer auch schon alle möglichen Situationen auf dem Feld erlebt.

"Hoffentlich kommen wir noch weit und haben noch relativ viele Spiele", sagte Völler, "deshalb gilt es auch für Thomas, dass er noch große Chancen hat, zu spielen." Einen Einsatz hat er schon. In München, beim Eröffnungsspiel, gab es einen besonderen Moment. Das Stadion erhob sich in der 74. Minute und skandierte einen Namen immer und immer wieder: "Thomas Müller". Mit seinem 130. Einsatz für das DFB-Team steht er auf einer Stufe mit Lukas Podolski, nur Miroslav Klose und Lothar Matthäus haben mehr Spiele. Und ein EM-Tor fehlt ihm auch noch, für den weiteren Turnierverlauf könnte es nicht schaden, wenn sich das ändert.

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Author: Greg Kuvalis

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